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Die Geschichte der Wetzsteinmacherei in Spiegelberg-Jux


 

Die ausgedehnten Wälder auf der heutigen Gemarkung Jux gehörten im ausgehenden Mittelalter dem Kloster in Steinheim. Der Besitz des "Juxwaldes" wird in den Lagerbüchern des Klosters genau beschrieben. Bereits in der Ausgabe des "renovierten", also nach 100 Jahren neu geschriebenen und ergänzten Lagerbuchs von 1597 beginnt die Beschreibung der Grenzen, mit der "Wetzsteinklinge", einem Flurnamen, der darauf schließen lässt, dass man bereits in weiter zurückliegenden Zeiten hier Steinschichten finden konnte, die sich zur Herstellung dieser überaus begehrten Schleifwerkzeuge eigneten.

 

Der Juxwald ist nicht das einzige Abbaugebiet für wetzsteintaugliches Gestein. Thüringen weist ausgedehnte Lagerstätten auf, Wetzsteine aus Unterammergau wurden die Donau hinab bis ans Schwarze Meer vertrieben, bereits die Wikinger trieben einen schwunghaften Handel mit Wetzsteinen aus Norwegen, wie Funde in der historischen Handelsmetropole Haithabu beweisen.

 

Der Bedarf an Wetzsteinen war überall groß, denn zum Mähen von Gras oder Getreide benutzten die Bauern bis zum Beginn der Mechanisierung der Landwirtschaft Anfang des 20. Jahrhunderts ausschließlich Sensen oder Sicheln. Es ist anzunehmen, dass vor allem die Holzfäller und Köhler die Stellen mit wetzsteintauglichem Gestein gut kannten und sich durch die Herstellung und den Vertrieb von Wetzsteinen ein Zubrot verdienten. Um 1800 beschäftigen sich auch Bauern aus Jux im Nebenerwerb mit der Wetzsteinmacherei und sicherten durch dieses begehrte "Spitzenprodukt" in ihrem Hausierhandel das Überleben ihrer Familien.

 

Im Jahr 1825 verbietet die königliche Forstverwaltung das "wilde Graben nach Wetzsteinen" und erhebt die nicht unerhebliche Gebühr von 1 Gulden, damals ein Wochenlohn, für jedes "neu gegrabene Loch". Daraufhin beschließt der Juxer Gemeinderat, einen Steinbruch offiziell zu betreiben und so der Bevölkerung ihr Zubrot zu erhalten. Die Gemeinde übernimmt die Pacht und stellt zwei "Plattenbrecher" für den ordnungsgemäßen Betrieb des Steinbruchs ein. Die Pacht, der Lohn für die beiden Arbeiter und die Nebenkosten werden über den Verkauf des gewonnenen Materials erwirtschaftet. Wetzsteintaugliche Platten werden für einen zuvor festgelegten Preis ("3 Kreuzer pro Quadratschuh") an die Wetzsteinmacher abgegeben, "taubes" Material (von Kindern) zu Straßenschotter zerkleinert und als Baumaterial verkauft.


Der 1825 eröffnete "Obere Bruch" wurde bereits 1847 aufgelassen, weil der Transport der Steine nach Jux wegen der steilen Wege viel zu mühsam war. Zudem soll die Qualität des Materials zunehmend schlechter geworden sein. 1847 beschloss man deshalb, etwas weiter unten im Tal den heute noch sicht- und begehbaren "Unteren Bruch" zu eröffnen.

 

Um Zuschüsse des königlichen Kameralamtes zu bekommen, gründeten die Wetzsteinmacher 1854 eine Genossenschaft. Die Leitung und die Aufsicht übernahmen der Bürgermeister und zwei Gemeinderäte. Das Unternehmen warf einen bescheiden Gewinn ab, der teilweise in eine Rollbahn investiert wurde, mit der man das gebrochene Material müheloser bis an die Straße und den dort angelegten "Brechplatz" mit Geschirr- und Aufenthaltshütte transportieren konnte.

 

Um 1878/79 stellte man fest, dass die wetzsteintaugliche Schicht "auskeilte", also immer dünner wurde. Da der Bedarf an Rohmaterial nicht nachließ, entschloss sich die Genossenschaft, den Steinbruch aufzulassen und einen neuen Bruch anzulegen. 250 Meter weiter südlich, fast gegenüber des Brechplatzes, stieß man auf eine vielversprechende Schicht und beschloss 1880, den neuen Bruch hier "aufzufahren".

 

Bereits 1885 ergab sich ein neues Problem, denn durch den Abbau entstand eine fast senkrechte und nicht beherrschbare Wand im ohnehin steilen Berghang. Seitlich konnte man wegen des instabilen Geländes nicht ausweichen und so grub man einfach weiter in den Berg, um die gestiegene Nachfrage nach Wetzsteinplatten befriedigen zu können. Das "Loch" wurde anfangs mit Holzbalken abgestützt und nach und nach entwickelte sich ein regelrechter Stollenbau, der in keinem vernünftigen Verhältnis zum Wert des abgebauten Materials stand. Der untertägige Abbau rief natürlich die Bergbaubehörde au den Plan, die den nicht immer sachgerecht ausgeführten Verbau rügte und Nachbesserungen anmahnen musste.


Arbeiter auf einem Rollwagen um 1900      

1899 inspiziert Obersteiger Köhle aus Wasseralfingen den Wetzsteinstollen und gibt eine Stollenlänge von 150 Metern an. Sein Vorschlag, den Stollenmund durch eine Flügelmauer und ein Gewölbe zu sichern, wird aus Kostengründen nicht ausgeführt und führt immer wieder zu Problemen. 1905 wird die Produktion vorübergehend eingestellt, weil sich niemand für den "Akkord" meldet, 1907 wird nur noch unregelmäßig gearbeitet, zudem verschlingen die vom Bergamt angemahnten dringenden Sanierungsarbeiten den Rest des vorhandenen Geldes. Ein Zuschuss der "königliche Armenkasse" kann das Ende der Wetzsteinproduktion nochmals bis 1911 hinauszögern, aber inzwischen hat die Mechanisierung der Landwirtschaft begonnen und von Pferden gezogene Mähmaschinen haben die Schnitterkolonnen endgültig verdrängt. Nachdem ein Antrag auf weiteren staatlichen Zuschuss unter Hinweis auf die "Aussichtslosigkeit eines solchen Unternehmens" abgelehnt wird, beschließt der Juxer Gemeinderat am 31. März 1911, die Wetzsteinproduktion einzustellen und den Stolleneingang zu verschütten. Das Geld reicht gerade noch für den Lohn der Arbeiter der letzten Schicht.


Während des 1. Weltkriegs pachtet der Fabrikant Friedrich Weinmann aus Spiegelberg den Stollen und lässt ihn wieder frei graben. Das Handelsembargo verbietet die Einfuhr von Wetzsteinen aus Mailand, so dass die heimische Produktion wieder lohnenswert erscheint. Die Platten werden im Stollen gebrochen oder auch herausgesprengt und die Wetzsteine dann in einer eigens neben seinem Wohnhaus in Spiegelberg eingerichteten "Wetzsteinfabrik" maschinell zugerichtet und, in Munitionskisten in Stroh verpackt, über die Bahnstation Sulzbach/Murr vertrieben. 1922 verfügt das Bergamt nach zwei schweren Unfällen beim Sprengen die Schließung des Stollens.

      Fabrikant Friedrich Weinmann inmitten seiner
      Arbeiter am Wetzsteinstollen um 1920


Was ist eigentlich "Wetzstein"?


Dieser Begriff bezeichnet eigentlich das fertige Produkt, das aus wetzsteintauglichem Material hergestellt wird. Dies ist eine 30 cm bis 100 cm mächtige Schicht im so genannten Kieselsandstein-Horizont mit drei besonderen Eigenschaften:


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feine und gleichmäßige Körnung

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mechanische Festigkeit und Härte durch einen hohen Kalkgehalt

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gute Schleifwirkung durch einen hohen Anteil an Silikatmineralen, die durch die Einwirkung von Kieselsäure weiter- und zusammengewachsen sind, was auch den Abrieb beim Wetzen verringert.



Oberirdische Wetzsteinschicht

Oberirdische Wetzsteinschicht

Oberirdische Wetzsteinschicht

Wetzsteinschicht im Stollen